Mit der neuesten Softwareaktualisierung der AirPods Pro 2 öffnet Apple ein neues Kapitel in der Hörunterstützung: Die In-Ear-Kopfhörer können nun als Hörhilfe eingesetzt werden, speziell für Menschen mit leichtem bis mittlerem Hörverlust. Diese Entwicklung stellt Hörakustiker vor neue Herausforderungen und erfordert eine fundierte Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen dieser Technologie. Die zentrale Frage: Kann diese Innovation mit professionellen Hörgeräten mithalten oder bleibt sie nur eine Übergangslösung?
Die Ankündigung der AirPods Pro 2 als Hörhilfe kam unerwartet und sorgte in der Hörakustik für Aufsehen. Mit der Keynote im September stellte Apple nicht nur neue Smartphones vor, sondern auch eine Funktion, die es Nutzern ermöglicht, über ihre AirPods einen Hörtest durchzuführen und die Kopfhörer an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Im Gegensatz zu klassischen Hörgeräten, die eine umfassende Anpassung durch Hörakustiker erfordern, wird diese Lösung komplett über das iPhone gesteuert und angepasst.
Die Software hinter der Hörhilfe-Funktion der AirPods analysiert das Hörvermögen des Nutzers anhand von Testtönen und passt die Audioausgabe automatisch an. Dies ähnelt zwar dem Prozess eines akustischen Tests in einem Fachgeschäft, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Der Test kann bequem von zu Hause durchgeführt werden, ohne professionelle Unterstützung.
Die AirPods Pro 2 bieten zahlreiche Vorteile für Menschen mit geringem Hörverlust, die möglicherweise noch nicht bereit sind, auf herkömmliche Hörgeräte umzusteigen.
• Kostenersparnis: Mit einem Preis von rund 279 Euro bieten die AirPods Pro 2 eine erschwingliche Alternative zu klassischen Hörgeräten, die oft mehrere Tausend Euro kosten. Für viele Nutzer könnte dies eine erste, kostengünstige Option sein, um leichte Hörprobleme zu adressieren.
• Einfache Anwendung: Der Hörtest, der zur Kalibrierung der AirPods durchgeführt wird, kann bequem von zu Hause aus erfolgen. Dies spart Zeit und vermeidet den Gang zum Hörakustiker oder Facharzt. Gerade für jüngere, technikaffine Nutzer könnte dies eine ansprechende Lösung darstellen.
•Multifunktionalität: Neben ihrer Funktion als Hörhilfe können die AirPods weiterhin für alltägliche Aktivitäten wie Musikhören, Telefonieren oder Podcasts genutzt werden. Für viele Nutzer ist dies ein großer Vorteil, da sie keine separaten Geräte für verschiedene Anwendungen benötigen.
• Personalisierung: Der in den AirPods integrierte Hörtest passt sich dynamisch den Bedürfnissen des Nutzers an. Dies ermöglicht eine präzisere Anpassung der Hörunterstützung im Vergleich zu starren Testverfahren in einem Fachgeschäft. Für leichte bis mittlere Hörprobleme bietet dies einen bequemen und personalisierten Ansatz.
Trotz der Vorteile müssen Hörakustiker einige gravierende Nachteile dieser Technologie berücksichtigen, die ihre Anwendung in der Praxis einschränken.
• Begrenzte Akkulaufzeit: Ein großes Manko der AirPods Pro 2 als Hörhilfe ist die kurze Akkulaufzeit von 4 bis 6 Stunden. Klassische Hörgeräte bieten oft eine viel längere Betriebsdauer und können mehrere Tage ohne Batteriewechsel oder Aufladung verwendet werden. Für Menschen, die eine ganztägige Hörunterstützung benötigen, sind die AirPods daher nur bedingt geeignet.
• Fehlende Kostenübernahme durch Krankenkassen: Ein weiterer Nachteil ist die fehlende Unterstützung durch Krankenkassen. Während herkömmliche Hörgeräte oft (zumindest teilweise) durch Krankenkassen finanziert werden, müssen die Kosten für die AirPods vollständig selbst getragen werden. Dies könnte für viele potenzielle Nutzer ein entscheidendes Hindernis darstellen.
• Zusätzliche Kosten für iPhone-Nutzer: Um die Hörgerätefunktion der AirPods Pro 2 zu nutzen, wird ein iPhone mit iOS 18 benötigt. Nutzer, die kein iPhone besitzen, müssen daher mit zusätzlichen Kosten rechnen. Ein günstiges iPhone-Modell wie das iPhone SE kostet derzeit rund 550 Euro, was die Gesamtkosten für die AirPods-Pro-2-Nutzer erheblich erhöht.
• Tragekomfort und Passgenauigkeit: Ein häufiges Problem bei der Nutzung von AirPods als Hörhilfe ist der Komfort bei längerem Tragen. Zwar werden die AirPods mit verschiedenen Silikonschirmchen geliefert, doch viele Nutzer berichten über unangenehmen Druck im Ohr bei längerem Tragen. Anders als bei herkömmlichen Hörsystemen, die maßgefertigte Otoplastiken verwenden, passen sich die AirPods nicht optimal dem Ohr des Trägers an. Maßgefertigte Hörgeräte hingegen schmiegen sich individuell an das Ohr an und bieten langfristig einen höheren Tragekomfort.
Die AirPods Pro 2 als Hörhilfe können für technikaffine Nutzer eine praktikable Lösung darstellen, insbesondere in Situationen, in denen herkömmliche Hörgeräte als überdimensioniert erscheinen. Der integrierte Hörtest ähnelt dem Verfahren, das auch in HNO-Praxen und bei Hörakustikern durchgeführt wird. Töne in verschiedenen Frequenzen und Lautstärken werden über die Kopfhörer abgespielt, und der Nutzer muss über das iPhone bestätigen, welche Töne er hören kann. Der Test dauert nur wenige Minuten und wird dynamisch an die Reaktionen des Nutzers angepasst.
Für ältere Menschen oder Nutzer, die nicht an das Tragen von In-Ear-Kopfhörern gewöhnt sind, können jedoch Probleme auftreten. Gerade das Einsetzen der AirPods in das Ohr und der längere Tragekomfort stellen für viele eine Herausforderung dar. Zudem zeigt sich in der Praxis, dass die AirPods zwar eine brauchbare Lösung für den gelegentlichen Einsatz (zum Beispiel beim Fernsehen oder Musikhören) bieten, aber langfristig keine vollwertige Alternative zu professionellen Hörgeräten darstellen.
Die AirPods Pro 2 sind vor allem für Menschen geeignet, die leichten bis mittleren Hörverlust haben und nach einer flexiblen, kostengünstigen Lösung suchen. Besonders in Situationen, in denen herkömmliche Hörgeräte unpraktisch oder zu teuer erscheinen, bieten die AirPods eine sinnvolle Ergänzung. Beispielsweise beim Fernsehen, in geselliger Runde oder beim Musikhören über Bluetooth können die AirPods eine praktische Unterstützung bieten.
Die Möglichkeit, die AirPods Pro 2 als Hörgeräte zu verwenden, stellt zweifellos eine interessante und kostengünstige Lösung für Menschen mit leichtem Hörverlust dar. Die einfache Anwendung, die vielseitige Nutzung und die vergleichsweise günstigen Anschaffungskosten machen sie zu einer attraktiven Option. Dennoch dürfen die Grenzen dieser Technologie nicht übersehen werden. Die begrenzte Akkulaufzeit, der fehlende Tragekomfort bei längerem Einsatz und die zusätzlichen Kosten für Nutzer ohne iPhone schränken den Nutzen dieser Technologie erheblich ein.
Für Hörakustiker bedeutet diese Entwicklung eine Herausforderung, aber auch eine Chance, sich als Experten für maßgeschneiderte und langanhaltende Lösungen zu positionieren. Durch Aufklärung und individuelle Beratung können sie weiterhin einen entscheidenden Mehrwert gegenüber den technologischen Lösungen wie den AirPods Pro 2 bieten.