
Der 67. Internationale EUHA-Kongress 2023
Das Treffen von Branchenexperten
Kaum jemand macht sich im Alltag Gedanken darüber, wie viel an unserem Wohlbefinden davon abhängt, auch in geräuschvollen Situationen Stimmen sauber zu verstehen. Bis wir in einer lauten Kneipe hocken oder mitten auf einer geschäftigen Straße angesprochen werden. Dann fällt auf, wie schnell wir den Faden verlieren, wenn Hintergrundlärm und gesprochene Worte miteinander konkurrieren. Für Hörakustiker:innen liegt darin eine tägliche Herausforderung: Wie kann man zuverlässig messen, ob und wie gut eine Person in solchen realitätsnahen Situationen zurechtkommt? Genau hier setzt der Audible Contrast Threshold Test (ACT™) an.
Entwickelt von Interacoustics und vertrieben von Diatec Diagnostics im deutschsprachigen Raum, liefert der Audible Contrast Threshold Test (ACT™) wertvolle Erkenntnisse darüber, wie hoch der Kontrast zwischen Sprache und Lärm sein muss, damit eine Person gesprochene Inhalte noch sicher erfassen kann. Das Verfahren bildet akustische Alltagssituationen realitätsnah ab und gibt eine objektive Grundlage für die optimale Anpassung von Hörsystemen und Cochlea-Implantaten (CI).
Was anfangs wie eine Fachformel klingt, hat einen einfachen Kern: Der ACT™ zeigt, ab welchem Punkt Sprachverstehen trotz Störgeräuschen möglich bleibt – oder eben nicht mehr ausreicht. Dadurch hilft er Fachleuten, die tatsächlichen Herausforderungen ihrer Kund:innen besser zu verstehen und Hörsysteme so anzupassen, dass sie in realen Situationen bestmöglich unterstützen.
Beim Audible Contrast Threshold Test geht es um Sprache im Störgeräusch. Dabei wird eine Sprachaufnahme immer wieder in unterschiedlichen Pegeln von Umgebungsgeräuschen präsentiert. Ziel ist herauszufinden, ab welchem Klangkontrast das Gehör in der Lage ist, Sprachsignale eindeutig zu entschlüsseln. In der Fachwelt spricht man auch von einer Kontrastschwelle: Nur wenn diese Schwelle überschritten wird, kann das Gehirn die relevanten Informationen ausreichend gut vom Lärm trennen.
Im Grunde genommen versucht der Test, einen Teil des echten Lebens ins Testumfeld zu holen. Statt steriler Ruhe oder neutrale Tonhöhenmessungen kommt eine Geräuschkulisse ins Spiel, wie wir sie aus belebten Straßencafés, U-Bahnen oder Familienfeiern kennen. So entsteht eine aussagekräftige Momentaufnahme, die Aufschluss darüber gibt, welche Hörgeräte- oder CI-Anpassung real wirklich Sinn ergibt.
Viele Messverfahren in der Hörakustik beschränken sich auf reine Tonaudiometrie oder herkömmliche Sprachtests in stiller Umgebung. Diese Klassiker haben selbstverständlich ihre Berechtigung, schließlich erfährt man so, wo genau im Frequenzspektrum eine Person Einbußen hat. Doch das Leben ist nun mal kein schalldichter Raum. Der Hintergrundpegel kann mitunter lauter sein als das, was wir eigentlich hören wollen.
Kein Wunder also, dass viele Hörakustiker dem ACT™ zunehmend mehr Gewicht beimessen. Er gibt Antworten auf die Frage: „Welches Hörgerät oder welcher CI-Prozessor hilft eigentlich in der Rushhour des Alltags wirklich am besten?“
In der Hörakustik herrscht oft ein Spannungsfeld: Einerseits möchte man dem Kunden zeigen, wie exzellent moderne Technik sein kann, andererseits muss man berücksichtigen, dass reale Umgebungen immer komplex bleiben. Die Ergebnisse des ACT™ liefern daher eine wertvolle Basis, um spezifische Empfehlungen zu geben.
Nehmen wir das Beispiel eines aktiven Senioren, der regelmäßig im Sportverein unterwegs ist und sich gern mit seinem Umfeld austauscht. In der Umkleidekabine oder während des Trainings ist es oft laut. Normale Audiometrietests können nicht simulieren, wie sich das gedämpfte Hallen- oder Stimmenwirrwarr tatsächlich anfühlt. Ein Test, der aber genau diese Situation nachstellt, rückt das Hörverstehen in sehr realistische Bahnen – und zeigt, inwiefern ein modernes CI oder bestimmte Features eines Hörsystems wirklichen Nutzen bringen.
Gerade bei komplexen Hörsituationen, wo mehrere Personen gleichzeitig reden, untermauert ein objektiver Test wie der ACT™, ob man in den entscheidenden Momenten genug Sprachkontrast herausfiltern kann. So fällt es leichter, Feinanpassungen vorzunehmen und die Technik zu optimieren, ohne den Kunden auf eine abstrakte Laborsituation zu reduzieren.
Der ACT™ funktioniert nach einem vergleichsweise einfachen Prinzip: Sprache und Störschall werden variierend gemischt. Die Testperson hört Sätze, die im Rauschen eingebettet sind. Schritt für Schritt verändert sich die Intensität des Geräuschpegels oder die Abmischung von Stimme und Rauschen. Die Aufgabe ist, die gesprochene Botschaft korrekt zu wiederholen oder zu identifizieren. So nähert man sich systematisch der Grenze, an der das Gehör gerade noch fähig ist, die relevanten Informationen zu erkennen.
Dieses Verfahren lässt sich dank moderner Computersoftware immer präziser gestalten. Man kann einstellen, welche Art von Rauschen verwendet wird (z. B. Weißrauschen, Babble Noise mit mehreren Sprechern), wie laut dieses Rauschen sein soll, welche Sätze gesprochen werden und wie man die Ergebnisse in einem Kurvenverlauf festhält.
Auch gibt es Variationen, die akustisch verschiedene Quellen nachahmen. Dabei könnte beispielsweise eine Stimme nur von links, das Störgeräusch aber diffus aus mehreren Lautsprechern kommen. In manchen Versionen wird sogar ein Richtungshören simuliert, um zu verstehen, ob die Testperson Stimmen bevorzugt von vorne besser versteht, während seitlicher Lärm stört. All das macht den Test enorm aussagekräftig.
Vielleicht wirkt das alles auf den ersten Blick sehr technisch. Doch die Idee hinter dem Audible Contrast Threshold Test ist zutiefst menschlich. Unser soziales Leben spielt sich selten in Schallschutzkabinen ab. Wie oft sitzen wir bei einer Geburtstagsparty und versuchen, gegen das Stimmengewirr anzureden? Wie häufig will man ein Wort am Telefon verstehen, während im Hintergrund der Bus vorbeidonnert?
Der Mensch, der ein Hörsystem nutzt, erlebt in solchen Momenten entweder Erleichterung oder Frust, je nachdem, wie gut seine technische Unterstützung funktioniert. Gerade deshalb sollte die Messung, ob ein System Stimmen aus dem Rauschen herausheben kann, genauso viel Gewicht erhalten wie die klassische Audiometrie. So erkennen Fachleute präzise, an welchen Stellschrauben noch gedreht werden muss.
Ein weiterer Aspekt: Manche Menschen strengen sich so sehr an, Gesprächsfetzen aus dem Lärm zu filtern, dass sie mental erschöpft sind. Dieses Phänomen nennt sich „Höranstrengung“. Auch hier können Messergebnisse des ACT™ indirekt helfen, indem sie zeigen, bei welchen Pegeln das Hörverstehen kippt und der Aufwand für das Gehirn steigt. Wer genau weiß, wo die Grenzen liegen, kann gezielt entlasten – durch passende Einstellungen im Hörgerät oder Empfehlungen für Alltagssituationen.
In der Hörakustik-Praxis lässt sich der ACT™ auf verschiedene Arten in den Alltag integrieren. Hier ein paar Anregungen:
Stellen wir uns einen Kunden vor, der seit Jahren ein Hörgerät nutzt, aber beklagt, dass beim gemeinsamen Abendessen mit der Familie immer zu viel Gemurmel in seinen Ohren ankommt. In Ruhe kann er alles prima verstehen, in lauter Runde jedoch geht ihm nach kurzer Zeit der Inhalt des Gesprächs verloren.
Anstatt nur blind eine neue Technik zu empfehlen, könnte der Hörakustiker zunächst den ACT™ durchführen. Dadurch zeigt sich, bei welchem Pegel und welcher Art von Störgeräusch das Sprachverstehen zusammenbricht. Im Anschluss testet man ein moderneres Hörgerät und wiederholt den ACT™ – diesmal kann der Kunde Sprache auch dann klar verstehen, wenn das Hintergrundgemurmel annähernd so laut ist wie die Zielfrequenz. Für den Alltag bedeutet das: Er wird den Familientisch weniger anstrengend finden. Solche Aha-Momente führen nicht nur zu einer zufriedenstellenden Anpassung, sondern sorgen auch für mehr Vertrauen in die Arbeit des Fachbetriebs.
Der Audible Contrast Threshold Test ist zwar kein Allheilmittel und schließt natürlich nicht alle Arten von Überprüfungen aus, aber er schenkt uns eine zusätzliche Perspektive auf das Hören in herausfordernden Situationen. Während klassische Sprachtests eher auf diskrete Messwerte (wie Prozentsätze bei bestimmten Lautstärken) ausgerichtet sind, rückt der ACT™ das Verhältnis von Stimme und Lärm in den Vordergrund. Genau diese Relation entscheidet im Alltag, ob ein Mensch ein Gespräch entspannt oder mit Anstrengung verfolgt.
Darüber hinaus können Fachleute den Test flexibel anpassen: Unterschiedliche Sprachen, verschiedene Lärmquellen und variable Abmischungen machen ihn vielseitig. Auch die Präsentation über Kopfhörer versus Lautsprecher ist denkbar, je nachdem, wie realitätsnah man es gestalten will. Durch diese Vielseitigkeit entwickelt sich der ACT™ immer mehr zum Standard, wenn es um die Messung von Sprachverstehen bei Störschall geht.
Gerade in Zeiten, in denen Hörgeräte mit digitaler Signalverarbeitung, AI-Algorithmen oder raumbezogenen Klangmodellen stetig weiterentwickelt werden, dürfte ein spezifisches, störgeräuschorientiertes Testverfahren immer wichtiger werden. Denn je individueller die Technik auf ihre Nutzer:innen abgestimmt wird, desto entscheidender ist ein Instrument, das aus dem echten Leben stammt.
Auch für Cochlea-Implantate, die unmittelbar ins Innenohr leiten, kann so ein Test sinnvolle Erkenntnisse liefern. Schließlich ist die Herausforderung bei CIs oft noch komplexer: Das Gehirn muss lernen, das durch elektrische Impulse entstehende Klangmuster in echte Sprache umzuwandeln. Wenn das zusätzlich in Hintergrundlärm geschieht, kommt es in besonderem Maß auf die Feinabstimmung der Implantate an.
Der Audible Contrast Threshold Test ist kein Geheimtrick, sondern ein fundiertes Werkzeug, das hörbar macht, wie sehr sich Stimmen vom Lärm abheben müssen, damit der Verstand folgen kann. Er stiftet Klarheit – sei es für Menschen, die erst am Anfang ihres Hörakustik-Wegs stehen, oder für erfahrene Nutzer:innen, die eine neue Stufe an Komfort suchen.
In einer Welt, in der das akustische Umfeld immer lauter zu werden scheint, lohnt sich ein Verfahren, das Laut und Leise vor Ort simuliert und uns messbar zeigt, wo Handlungsbedarf besteht. Für Hörakustik-Fachleute und alle, die sich intensiv mit der Verbesserung von Hörlösungen befassen, könnte der ACT™ ein echter Türöffner zu mehr Verständnis und Präzision sein – statt vager Vermutungen liefert er schwarze auf weiß gemessene Ergebnisse, die man kaum wegdiskutieren kann.
Es ist eine beruhigende Vorstellung, dass Fachkräfte den Alltag ihrer Kundschaft ein Stück weit in die Messkabine holen können. Das Ziel bleibt schließlich stets gleich: mehr Klangqualität, weniger Missverständnisse, echter Austausch statt mühsamem Erraten. Mit dem Audible Contrast Threshold Test lässt sich genau prüfen, ob unsere Hörsysteme dem lauten Leben gewachsen sind – und uns eine große Portion Lebensqualität zurückgeben, die nur klar verstandene Worte schenken können.
Diatec Diagnostics ist Vertriebspartner von Interacoustics, dem Unternehmen, das den ACT™ entwickelt hat. Als Experte für audiologische Messsysteme stellt Diatec nicht nur die entsprechende Testsoftware bereit, sondern bietet auch Schulungen und Fachseminare an, um Hörakustiker:innen den optimalen Einsatz des ACT™ in der Praxis zu ermöglichen.